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2.1 Von >>einem<< Internet zu >>dem<< Internet


Damit Computer Teil >>des<< weltweiten Internet sein können, müssen sie zuallererst eine einmalige Netzadresse haben - wenn auch nur zwei die gleiche hätten, gäbe es eine heillose Verwirrung. Für die Vergabe der Adressen gibt es in den USA als einzige zentrale Einrichtung des Internet ein Institut mit dem Namen Internet Network Information Center, kurz InterNIC  genannt. Wollte dieses Institut nun allein alle neuen Netzadressen weltweit vergeben, würde es sehr schnell an Arbeitsüberlastung scheitern. Das InterNIC ist daher nur das oberste Glied in einer Kette von regionalen Adreß-Unterverteilern. Es vergibt die Internet-Adressen  blockweise an untergeordnete Organisationen, die ihrerseits wiederum Unterorganisationen haben, welche schließlich dem einzelnen Rechnerbetreiber die spezielle Adresse zuteilen. Die Stellung des InterNIC ist jedoch nicht so zentral, daß Sein oder Nicht-Sein des Internet von ihm abhinge - seine Aufgaben könnten jederzeit auch von anderen Institutionen wahrgenommen werden.

Dieses Prinzip der hierarchischen Strukturierung findet man auch in manchen technischen Bereichen des Internet (z.B. der Domain-Adressierung, dazu später in den Kapiteln 2.7 und 2.8mehr). Erst dadurch wird das quasi organische Wachstum des Netzes in den genannten riesigen Ausmaßen möglich. Eine streng zentralistisch organisierte Institution, die alle administrativen Aufgaben zentral zu erledigen versuchte, würde bei der Größe und der Wachstumsgeschwindigkeit des Internet rasch kollabieren.

Ein Rechner muß also drei Bedingungen erfüllen, damit er zu >>dem<< Internet gehört:

  1. Er muß mit anderen Rechnern nach den Regeln des Internet-Protokolls kommunizieren.
  2. Er muß eine vom InterNIC (bzw. einem Unterverteiler) zugewiesene Netzadresse (IP-Adresse) besitzen.
  3. Er muß in der Lage sein, auch mit allen anderen Rechnern zu kommunizieren, die eine vom InterNIC zugeteilte Adresse besitzen und zu dem weltweiten Verbund zusammengeschlossen sind.
Die Adresse, von der hier die Rede ist, ist nicht mit der im Kapitel 1 genannten Mail-Adresse zu verwechseln, sie hat zunächst mit dieser nichts zu tun (auf die Zusammenhänge kommen wir am Schluß von Kapitel 2).

Ein häufiger Fall ist nun der, daß Firmen oder Organisationen eigene lokale Netze aufgebauen, die zwar intern mit dem Internet-Protokoll arbeiten, aber zunächst nicht mit dem Rest der Welt verbunden sind. Damit betreiben sie >>ein<< Internet. In der englischsprachigen Literatur wird >>Internet<< dann klein geschrieben: internet - das ist im Deutschen aber noch so wenig verbreitet, daß wir es auch hier nicht benutzen wollen. Bemerkt die Firma dann eines Tages, daß es auf der Welt noch weitere Computernetze dieser Art gibt und daß es sinnvoll ist, sich an das weltweite Internet anzukoppeln, muß sie für ihre Rechner vom InterNIC oder einer Unterorganisation zugeteilte Adressen verwenden und eine physikalische Verbindung zu wenigstens einem anderen Rechner herstellen, der bereits Teil des Internet ist. Dieser Rechner ist dann das Gateway  (engl. Gateway = Tor, Torweg, Pforte) zum Internet (teilweise auch Router  genannt). Auch dieser andere Rechner ist nun in der Regel Teil eines kleineren Netzgebildes, welches auch für sich allein wieder ein Internet bilden könnte (wenn es den >>Draht zur weiten Welt<< abschneiden würde).

In dieser Art und Weise ist das Internet aus Abertausenden von kleineren Netzen und Organisationen miteinander verwoben, man hat es daher auch das >>Netz der Netze<< genannt.

Das Fehlen zentralistischer Strukturen mag zunächst vielleicht bei manchem den Anschein von Unsicherheit oder Instabilität hervorrufen. Was jedoch weit gefehlt wäre - aber werfen wir einen kurzen Blick in die Geschichte des Internet.

Ein Blick in die Geschichte des Internet

Die Ursprünge des Internet gehen zurück bis in die 60er Jahre. Falls Sie schon so alt (sorry: lebenserfahren) sind, daß Sie sich an diese Zeit noch bewußt erinnern - es war die Zeit des Kalten Krieges, die Zeit des Ost-West-Konfliktes und der Atomkriegsszenarien. Das amerikanische Verteidigungsministerium (DoD, Department of Defense) hatte nach dem Start des ersten russischen Weltraumsatelliten >>Sputnik<< (1957) eine Organisation mit dem Namen Adcanced Research Project Agency, kurz ARPA  genannt, ins Leben gerufen. Ziel von ARPA war die Förderung ausgewählter Forschungsprojekte mit finanziellen Mitteln, um den (vermeintlichen) Rückstand der USA im Rüstungs- und Technologiewettlauf mit der Sowjetunion aufzuholen. ARPA bekam vom Verteidigungsministerium den Auftrag, die militärische Nutzbarkeit von Computernetzen zu prüfen und diese gegebenenfalls zu fördern.

Dieser Auftrag initierte, ohne daß es damals irgend jemand ahnte, die Geburt des heutigen Internet. Wollte man den Geburtstag an ein genaues Datum knüpfen, müßte man den 3. Juni 1968 nennen: an diesem Tag wurde ARPA vom Information Processing Techniques Office (IPT oder IPTO genannt) ein Programm mit dem Namen >>Resource Sharing Computer Networks<< vorgelegt. Der damalige Direktor von ARPA, J.C.R. Licklider, empfahl am 21. Juni 1968 die Förderung dieses Projekts.

Die ungeahnten Möglichkeiten, welche Rechnernetze für militärische Kommandostrukturen eröffnen, wurden sehr schnell erkannt. Das aus diesen Ideen resultierende Netz bekam den Namen ARPANET . 1972 wurde die Organisation ARPA in DARPA  umbenannt, um die engere Bindung an das Verteidigungsministerium auch im Namen kenntlich zu machen (D aus DoD), das ARPANET wurde dann zeitweise auch DARPANET  genannt. Es verband zunächst vier Forschungseinrichtungen (es war trotz finanzieller Förderung des DoD ein Forschungsnetz) in den USA: die Universitäten von Los Angeles, Santa Barbara, Utah sowie das Stanford Research Institute (SRI).

Die Übertragunsprotokolle IP und TCP gab es zu der Zeit noch nicht, sie sind ein späteres Resultat der Forschungsarbeiten. Die Zielvorgabe bei der Entwicklung war es, ein Netz mit höchstmöglicher Stabilität zu schaffen. Rechnerausfälle, seien sie nun Folge militärischer Ereignisse (wie gegenerische Atomangriffe) oder von einfachen Hardwareproblemen, sollten nicht in der Lage sein, das Netz lahm zu legen. Daher wurde das ARPANET von Anfang an dezentral konzipiert, denn Zentralität beinhaltet leichte Verwundbarkeit durch Ausschalten von Zentralrechnern und mußte unbedingt vermieden werden.

Das heutige Internet ist ein direkter Nachkomme dieses Netzes - es ist damit auch ein Produkt des Kalten Krieges. Seine Konstruktion basiert auf der Idee, Atomangriffe überstehen zu können. Auf der hieraus resultierenden Robustheit beruht ein Teil seines Erfolgsgeheimnisses. Der Krieg ist zwar gottseidank ausgeblieben, aber Rechnerausfälle oder techno-politische Kapriolen, die das Netz überstehen muß, sind auch ohne Atomkrieg recht häufig.


Das Internet ist dezentral und selbstorganisierend. Es gibt keine Zentralverwaltung oder oberste Behörde. Es gibt zwar eine Einrichtung, die zentrale Aufgaben wahrnimmt, das InterNIC (es verteilt die Netzadressen), aber auch dessen Aufgaben können jederzeit von anderen Institutionen übernommen werden. Die Betreiber der Netzrechner und der Datenleitungen regeln die Probleme untereinander.

Das Internet gehört niemandem. Darauf beruht seine Stärke: keine Institution, Staat oder Behörde hat die Macht, es in seiner Gesamtheit abzuschalten oder zu kontrollieren.


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